Historische Komödie
die Hintergründe zum historischen Maientags-Schwank.
Es war eigentlich keine Frage, dass nur ein echtes Maientagsthema den Auftakt zur geplanten Wiederbelebung des traditionsreichen Maientagstheaters bilden konnte. Da war sich der Verein Drehschreibe Jugend und Kultur e.V. und die Damen und Herren der städtischen Stabsstelle für Wirtschaftsförderung, Kultur und Tourismus einig. Die Frage war nur: Was könnte dieses Thema sein? Antwort fand sich im reichen Fundus des Stadtarchivs. Eifrig wurde gesucht, Bücher, Akten und alte Zeitungsartikel durchforstet und das Vaihinger Standard-Geschichtswerk „Die Geschichte der Stadt Vaihingen“ von Lothar Behr, Otto-Heinrich Elias u. a. zu Rate gezogen. Doch leider war die Faktenlage trotz aller Mühe nicht allzu ergiebig. Viel ist über dieses wichtigste der Vaihinger Feste nämlich seit seinem ersten Nachweis 1687 gar nicht geschrieben worden.
Doch halt: Gab es da nicht einen Bericht über die Aussetzung des Maientages für beschämende 26 Jahre? Kaum zu glauben, dass Vaihingen dieses Fest einmal nicht gefeiert hätte! Doch genau das war der Fall. Der Maientag wurde tatsächlich verboten und zwar um der wahrhaft sauren Zeiten willen. Missernten, Seuchen und Kriegsgeschrei waren der Grund und vielleicht auch der Unwille der reichen Oberschicht, dieses Fest der Armen und Kinder trotz leerer Kassen weiterhin zu finanzieren. Doch dem unermüdlichen Einsatz eines engagierten Spitalmeisters (das Spital heute: Buchhandlung Blessings 4 you) im Jahre 1797 ist es zu verdanken, dass Vaihingen die schöne Tradition wiederaufnahm. Wilhelm Fröscher hieß der tapfere Mann, der damals beim Rat der Stadt unter dem damaligen Bürgermeister Gottlob Stein eine Eingabe machte und nicht locker ließ, bis er, trotz vieler Widerstände, sein Ziel erreichte.
Aber diese Randnotiz in der Vaihinger Geschichte reicht noch nicht aus, um eine abendfüllende Komödie auf die Bühne zu bringen. Ideen und Fakten mussten her. Weiteres fand sich in den Archiven: z.B. die Regelung, dass die Soldaten des Herzogs beim Maientag Dienst zu tun hatten, um Ausschreitungen und Schlägereien unter dem nicht immer nüchternen Volk zu unterbinden. Dafür gestattete man den wackeren Soldaten als Entlohnung jedoch nur ein Fässchen des schlechtesten Spitalweins und ein Brot. Die Räte der Stadt aber labten sich am edelsten Tropfen. Unsere Geschichte und der damit zusammenhängende Schelmenstreich der „Herzöglichen“ ist zwar ein Produkt der dichterischen Fantasie, doch es hätte immerhin so sein können, denn Aufmüpfigkeit im Volke gegen die Großkopferten, das hat schon seit dem Aufstand des armen Konrad in Württemberg eine gute Tradition.
Für eine gute Geschichte braucht es aber noch eine weitere unerlässliche Zutat: einen Bösewicht! Ein lohnender Aufhänger fand sich in einer Aktennotiz über einen offenbar nicht ganz lauteren Stadtschreiber. Friedrich Löbert, Angehöriger einer honorigen Vaihinger Familie, die sowohl eine lange Reihe von einflussreichen Stadtschreibern wie auch Bürgermeistern stellte (vielen wird der Löbertsbrunnen auf der Gemarkung Vaihingen ein Begriff sein), hat wohl zu tief und zu seinem eigenen Vorteil ins Stadtsäckel gegriffen. Zumindest behaupteten solches die drei ebenfalls in der Stadtgeschichte verbürgten Stadträte Christoph Stöckle, Matthäus Brecht und Andreas Scheytt. Doch ereignete sich diese Episode schon einige Jahre zuvor. In den Stadtanalen wird leider nicht berichtet, wie sie ausging, nur dass sich der so schwer Beschuldigte in Ludwigsburg vor Gericht zu verantworten hatte.
Die weiteren Personen der Geschichte sind frei erfunden, wenn auch so nah wie möglich an den tatsächlichen Gegebenheiten. Eine Sprecherin der Armen, die so etwas wie die informelle Deutungshoheit in diesem Siechen- und Armenhaus vor den Toren der Stadt hatte, mag es genauso gegeben haben, wie einen schneidigen jungen Offizier bei den herzöglichen Soldaten. Auch die Wirtschaft Rappen, vermutlich die Schildwirtschaft eines Pferdemetzgers hat es gegeben, verschwand dann aber aus den Archiven. Vielleicht starb der Wirt oder hatte keinen Nachkommen? Wer vermag es zu sagen? Mir genügte es, daraus die Idee einer patenten Witwe zu kreieren, die es dem Spitalmeister angetan hat. Wer weiß, vielleicht
ist es ja auch wirklich so gewesen ...
Unsere Geschichte spiegelt jedenfalls, wenn auch in einigen Bereichen frei erfunden, trotz allem einen guten Teil der Stadtgeschichte, der Nöte und Sorgen, aber auch Freuden der Vaihinger wider. Und das im schönsten Vaihinger Dialekt, für den Markus Bopp- ein original Roßwager Gewächs und vielen als Mitglied der Kabarettgruppe Gassenfeger bestens bekannt - verantwortlich zeichnete. Denn das – bei allem Bemühen – lernt der Rei`gschmeckte auch nach Jahren nimmermehr. Nun bleibt mir nichts anderes, als Ihnen viel Vergnügen bei unserem historischen Schwank Saure Zeiten zu wünschen.
Herzlichst
Eva Württemberger